Zweites Update von Nico aus dem Knast

Liebe Freund:innen, liebe Genoss:innen und auch: Liebe Antifaschist:innen da draußen,
die wir uns überhaupt nicht persönlich kennen!

Ein riesiges Dankeschön für eure ganze Unterstützung, die ich vor allem in Form von
Briefen erhalte. Ich freue mich über jeden einzelnen Brief! Sie machen den Unterschied und
lassen mich wissen und spüren, dass ich hier drinnen nicht vergessen bin! In diesem Zug
auch ein riesiges Entschuldigung für all die unbeantworteten Briefe!!
Ein klein wenig hoffe ich, mit diesem Brief einige der mir vielfach gestellten Fragen zu
beantworten – und euch vor allem wissen zu lassen, wie es mir hier drinnen geht. Nämlich:
Den Umständen entsprechend sehr gut. So gut es jemandem im Knast halt gehen kann :).
Und das ist durchaus eine Einschränkung. Knast bedeutet in erster Linie logischerweise den
Verlust von Freiheit. Also von dem, wofür wir Tag für Tag kämpfen
…ein selbstbestimmtes Leben, ein Leben ohne Unterdrückung.

Hier drinnen hat man sich anzupassen, egal um was es geht.
Das machen sie dir sehr deutlich: Anpassung aus Prinzip. Spielt man nicht mit,
zieht man als Inhaftierter immer den Kürzeren. Ein dummer Kommentar: Zack – Meldung!
Einmal nicht auf einen Beamten oder eine Beamtin gehört: Zack – Meldung! Auf Arbeit
irgendwas gemacht, das dem Chef oder dem Knast nicht passt: Zack – Kündigung! Gerade
letzteres ist zwar im Großen & Ganzen nicht anders, wie bei euch draußen im Berufsleben,
aber da kann man sich halt zumindest einfacher eine andere Arbeit suchen. Es ist ein
bisschen absurd, aber sogar (für kläglichen Lohn..!) arbeiten „zu dürfen“, ist hier etwas, das
man als Privileg sehen soll und das – wie nahezu alles – ständig „auf dem Spiel steht“ und
einem wieder weggenommen werden kann. Und es geht nicht nur um Erleichterungen oder
Einschränkungen. Da schwingt auch ständig mit, das alles, was einem negativ ausgelegt
werden kann am Ende auch den ‚Vollzugsplan‘, also den Haftverlauf beeinflussen kann.
Ich sage euch ehrlich, das ist schon eine alltägliche Herausforderung. Nicht bei jedem
Scheiß recht haben zu müssen und auch mal „Ja“ zu sagen, zu Sachen, wo man sich
draußen in Freiheit denkt „was ein Schwachsinn“ gehört im Knast definitiv dazu. Aber
natürlich bleibt das eine Gratwanderung und man fragt sich immer wieder: Spiele ich zu sehr
mit? Lasse ich mich zu sehr leiten, von der Aussicht auf eventuellen offenen Vollzug? Mache
ich es mir zu bequem?

Keine leichten Fragen. Und natürlich interessieren mich auch eure Gedanken und
Perspektiven von draußen auf diese Fragen – ob wir uns nun lange kennen oder auch nicht.
Ich denke aber, auch das möchte ich offen formulieren:
Um die Sachen zu 100% nachvollziehen zu können, muss man es glaube ich selber erlebt haben. Was jetzt aber kein
Aufruf sein soll, dass ihr euch alle Haftstrafen abholt! 😉
Am Ende des Tages ist Knast jedenfalls aushaltbar. Und es gibt sogar sehr ermutigende
Dinge. Neben der ganzen Unterstützung von draußen, die wirklich viel Kraft gibt, sind das
auch die Bekanntschaften, die man hier drinnen macht. Viele und super verschiedene
Menschen und dementsprechend auch die unterschiedlichsten Charaktere – aber alle
vereint, dass sie eben im Knast sitzen und das ist schon ein enorm verbindendes Element,
das auch eine sehr schöne Form von Solidarität hervor bringt. Man unterstützt und hilft sich
hier gegenseitig. Nur-nach-sich-selber-schauen gibt es hier kaum. Das hat mich von allem
vielleicht am meisten und positivsten überrascht: Das so unmenschliche Gegebenheiten, die
auf das genaue Gegenteil aus sind, so gute menschliche Züge hervorbringen.
Und dennoch freue ich mich – natürlich – schon jetzt darauf, wieder draußen zu sein; auf die
selben und hoffentlich auch viele neue Gesichter, wie zu meinem Haftantritt!
Erstmal wünsche ich euch allen aber einen guten Rutsch in ein neues Jahr! Ob auf der
Straße, vor Gericht oder eben hinter Gittern: Wir halten zusammen! Grüße an alle anderen
Inhaftierten Antifaschist:innen! Und ebenso, an alle Untergetauchten. Yan, wir vergessen
dich nicht!!

Euer Nico

Leave a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *